Dokumentation

Wollten mehr über die Geschichten hinter den Namen wissen

2.137 Drogentote, 6 Drogentote täglich, sprechen eine klare Sprache. Eine grundsätzliche Neuorientierung in der Drogenpolitik sichert Überleben, so das Netzwerk JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte). Der Gedenktag ist mehr als ein stilles Erinnern – er ist ein Aufschrei gegen die vorherrschende repressive Drogenpolitik, gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung.

Vielerorts, wie im baden-württembergischen Heilbronn, fordern die InitiatorInnen ein Handeln der politisch Verantwortlichen, hin zu einer menschlicheren diskrimiminierungsfreien Drogenpolitik, die sich der aktuellen Situation und dem Konsumverhalten annähert. In diesem Jahr erfährt der Gedenktag die Unterstützung von Prof. Dr. Heino Stöver als Schirmherr. Seit 2009 ist Stöver an der Frankfurt University of Applied Sciences (Fachbereich 4 „Soziale Arbeit und Gesundheit“) mit dem Schwerpunkt „Sozialwissenschaftliche Suchtforschung“. Er ist Sozialwissenschaftler und ein verlässlicher Partner, wenn es um die Weiterentwicklung der Drogenpolitik geht. Dabei stehen die Entkriminalisierung des Erwerbs und Besitzes geringer Mengen zum Eigenbedarf sowie die Regulierung der legalen Vergabe von weiteren Substanzen nach Vorbild der Opioidsubstitution im Fokus.

Gedenken in Heilbronn

Elf Namen standen auf bunten Plakaten in Heilbronn auf der Neckarinsel der Experimenta. Die BesucherInnen und MitarbeiterInnen des Kontaktladens, einer niederschwelligen Einrichtung für drogenabhängige Menschen, haben sie gut sichtbar angebracht. Nicht alle Namen tauchen in der offiziellen Drogentotenstatistik auf. Es wird in Heilbronn jedes Jahr an Menschen erinnert, die an einer akuten Überdosis verstorben sind. Darüber hinaus werden diejenigen mit in das Gedenken hineingenommen, die nicht unmittelbar am Drogenkonsum verstorben sind, sondern deren Körper und Seelen über die Jahre gelitten haben. Von 11 Uhr bis 18 Uhr ließen die Namen, die Kerzen, die Rosen mit kleinen Texten, Passanten innehalten, manche irritiert, manche interessiert.

Die Anwesenden boten Gespräche an und informierten über die Situation drogenabhängiger Menschen in Heilbronn. Immer wieder zeigten sich Passanten erschüttert, wollten mehr über die Geschichten hinter den Namen wissen oder nahmen eine Rose mit. Manche sind sich der schwierigen Situation Drogengebrauchender nicht bewusst. Doch es kamen ebenso Suchtgeschichten im eigenen Umfeld zutage. Die gegenwärtige Drogenpolitik wurde kritisch hinterfragt. Menschen des Kontaktladens nutzten über den Tag verteilt die Zeit, um vor einem Plakat von einem Freund oder einer Freundin Abschied zu nehmen. „Es war in diesen Stunden wichtig, Namen noch einmal auszusprechen, Erinnerungen zu teilen, zu spüren, dass jeder und jede eine Lücke hinterlässt“, so eine Mitarbeiterin der Initiative.

Beitrag von: Seelsorge im Jugendvollzug JVA Herford



Dokumentation

Doch mit dem Aufhören ist es so eine Sache

Der 1. Gedenktag für verstorbene Drogengenbrauchende wurde 1998 begangen. Hintergrund war, dass am 21. Juli 1994 in Gladbeck der junge Drogengebraucher Ingo Marten starb. Seiner Mutter gelang es unter Mithilfe der Stadt, eine Gedenkstätte für verstorbene Drogengebrauchende zu etablieren. Im Jugendvollzug der JVA Herford gibt es zum Gedenktag Aktionen.

In Deutschland sind im Jahr 2024 wegen des Konsums illegaler Substanzen 2.227 Menschen gestorben. Dies sei die höchste bisher je registrierte Zahl. Darunter waren 1.844 Männer und 383 Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei 41 Jahren und ist somit weiter angestiegen. In der Realität gibt es mehr Todesfälle, die Dunkelziffer ist sehr hoch. Zu wenige toxikologische Gutachten und Obduktionen werden veranlasst.  Hinter den blanken Zahlen verbirgt sich unendliches Leid für die Betroffenen, ihre Familien, das ganze Umfeld, Viele dieser Todesfälle wären vermeidbar gewesen. Lea Otto, Sozialarbeiterin der Drogenberatungsstelle e.V. Bielefeld, weiß wie es um die Gefährlichkeit von Drogensubstanzen steht. Als Ansprechperson von außen ist sie für inhaftierte Jugendliche in der JVA Herford zuständig. „Weil ich von außen komme, kann ich anders auf die Jugendlichen und das Thema Drogenkonsum eingehen, da ich nicht zur strafenden Instanz gehöre“, erzählt Frau Otto.

Erfahrungen nicht weit entfernt

Dass das Gedenken an verstorbene Drogengebrauchende nicht weit entfernt ist, haben die Inhaftierten erst kürzlich erfahren müssen. Ein Mitgefangener ist in eine Suchtklinik zur Therapie früher entlassen worden. Es sah gut aus, dass derjenige die Motivation auf der Therapievorbereitungs-Abteilung (TVA) umsetzt. Leider ist dieser aufgrund erneuten Konsums von der Klinik geflogen. Zuhause hat er wieder neue und zu viele Substanzen zu sich genommen. Man fand ihn tot in seinem Bett. Das macht die Gefangenen betroffen, weil sie ihn als aufgeweckten und fröhlichen jungen Mann erlebten.

In der Anstaltskirche stellte man ein Bild für ihn auf. Eine Trauerfeier wurde gestaltet. „Der Konsum illegaler Drogen ist eine Scheinfreiheit“, sagt ein Inhaftierter und spielt auf den Tod des Mitgefangenen an. „Man muss wissen, wenn man aufhören muss“, fügt er an. Doch mit dem Aufhören ist es so eine Sache. Hilfen gibt es, sie zu ergreifen ist oft ein Kampf zwischen Abstinenz und Rückfällen. „Im Haftalltag gibt es genügend Drogen, die man hier bekommt“, offenbart Elias, ein 20-jähriger Inhaftierter. Er selbst habe erst vor ein paar Wochen Cannabis konsumiert. Der Vollzug ist darauf ausgerichtet, dass die Gefangenen abstinent leben. Wenige bekommen Methadon als Ersatzstoff.

Schmetterling als Symbol

Ähnlich wie die „Rote Schleife“ im Kontext von HIV und AIDS ist für den Gedenktag das Symbol des Schmetterlings entwickelt worden. Schmetterlinge stehen für neues Leben und die Freiheit. So werden im Freistundehof Schmetterlinge mit Sprühkreide aufgemalt. „Nicht alle finden das toll“, meint ein Bediensteter.

Die Aktion soll am Gedenktag an die Drogentoten erinnern und den Alltag unterbrechen. Wo sonst können Inhaftierte darauf aufmerksam gemacht werden. Sicherheit und Ordnung hat die Aktion genehmigt. Auch in den Knast-Gottesdiensten werden Schmetterlinge auf grünem Papier auf den Boden gelegt. Verbunden damit sind Bitten und Wünsche für das eigene Leben, aber auch das Gedenken an Verstorbene im nahen Umfeld. Nach dem ersten Regenschauer sind die kreide-gesprühten Schmetterlinge auf dem Freistundenhof wieder verwunden. Mühevoll sind sie mit Schablonen aufgemalt worden. Dies könnte ein Symbol dafür sein, dass Menschen schnell vergessen und in alte Muster verfallen. Immerhin gibt es solche gesetzten Erinnerungspunkte.

Beitrag von: Seelsorge im Jugendvollzug JVA Herford



Eigenbeitrag

Die Möglichkeit des würdevollen Gedenkens

Am 21.07.2025 haben wir in einer gemeinsamen Gedenkfeier mit Besucherinnen und Besuchern, Klientinnen und Klienten, sowie Kolleginnen und Kollegen in den Räumen des Kontaktladens der Caritas/Suchthilfe, den Gedenktag in Rostock begangen.

In Vorbereitung auf den Gedenktag wurden an unserer Einrichtung an der Außenfassade gut sichtbar ein Banner und in der Einrichtung Flyer aufgehängt, um auf den Gedenktag aufmerksam zu machen, zudem schmückten diverse Schmetterlinge unseren Kontaktladen und am Gedenktag selbst, konnten individuelle Gläser und Kerzen,
Einträge in ein Kondolenzbuch, sowie Schmetterlinge und Gedenksteine für die Verstorbenen gestaltet werden.
Auch fanden die aufgehängten Poster reges Interesse bei unseren Gästen
und luden zum Austausch und miteinander reden ein.

Die Möglichkeit des würdevollen Gedenkens und Austausches miteinander, bestand im Rahmen des gesamten Nachmittags für alle Anwesenden – im Anschluss an die Gedenkfeier und auch bei dem sich anschließendem gemeinschaftlichen Grillen und Beisammensein.

In vertrauter Atmosphäre wurde sich gemeinsam an die Verstorbenen erinnert, wurden Anekdoten ausgetauscht und für alle Beteiligten noch einmal deutlich, wie wichtig der Gedenktag ist und auch der Rahmen, der diesem gegeben wird.

Beitrag von: Fachdienst Suchthilfe, Kontaktladen & Streetwork Rostock



Dokumentation

Weil jede Verzögerung Leben kostet

In einer gemeinsamen Gedenkfeier der Kieler Drogen- und Suchthilfeeinrichtungen wurde die Gedenkfeier im Szenegarten „Grünes Eck“ begangen. Dort befindet sich auch die offizielle Gedenkstätte für Kiel.

In Vorbereitung auf den Gedenktag wurden an den Einrichtungen die Banner aufgehängt, Schmetterlinge zierten das Pflaster im Stadtteil,, in den Einrichtungen konnten individuelle Gedenksteine für die Verstorbenen gestaltet werden. Diese wurden dann im Rahmen der Gedenkfeier in die Gedenkstätte eingesetzt.

Unter großer öffentlicher Beteiligung, mit zahlreichen Vertretenden der substituierenden Praxen, Apotheken sowie regionaler und überregionaler Vertretung aus der Politik fand eine emotionale Gedenkfeier statt. Birthe Kruska (Drogenhilfe Kiel-Ost/ NGD) mahnte im Rahmen ihrer Rede die 5 Maßnahmen der Aidshilfe und Drogenhilfeverbände an und zeigte anhand von Beispielen auf, an welchen Stellen es vor Ort besonders hakt. Sie mahnte alle Anwesenden, notwendige Maßnahmen JETZT umzusetzen, weil jede Verzögerung Leben kostet. Pastorin Ragni Mahajan (Ev.-Luth. Kirchengemeinde Gaarden) erinnerte in ihrer Andacht unter Anderem daran, dass uns nur eine Gemeinsamkeit tragen kann. Sie erinnerte daran, dass es viele Menschen gibt, denen diese Gemeinsamkeit oft fehlt, es sei die Aufgabe von uns Allen, an Diese zu erinnern und sie zu leben, besonders am Gedenktag, aber auch im Alltag. Sie erinnerte daran, dass jede*r Verstorbene die Anwesenden im Alltag begleitet und getragen habe. In einer besonderen Zeremonie wurden die Namen der Verstorbenen von den jeweiligen Gedenksteinen vorgelesen, ihnen wurde jeweils mit dem Schlag einer Klangschale auch eine akustische Erinnerung gesetzt. Im Anschluss daran wurde jeder Stein von Annkathrin Pick („Grünes Eck“/ KJHV) in die Gedenkstätte eingebettet. Die Gedenkstätte wird von den Nutzenden des Grünes Ecks täglich gepflegt und in Stand gehalten.

Bei folgenden gemeinschaftlichen Kaffee und Kuchen wurde sich angeregt ausgetauscht, außerdem fanden die  Fotoausstellung „(Über-) Leben im Risikoumfeld“, sowie die Ausstellung der Nutzerinnen des Grünen Ecks zum Thema „Wir haben Stifte aber keine Farben“ großen Anklang.

Tröstlich und erfreulich waren an diesem Tag die zunehmende Bekanntheit des Gedenktages auch über die Kieler Stadtgrenzen hinaus und die erneut massiv gestiegene Zahl der Teilnehmenden.

Beitrag von: Drogenhilfe Kiel-Ost



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