WESEL

„Es gibt Blumen für den, der sie sehen will!

Den Internationalen Gedenktag für Drogentote am 21. Juli nimmt die Weseler Drogenberatungsstelle an der Fluthgrafstraße seit Jahren zum Anlass, um auf die Gefahren durch Drogenmissbrauch hinzuweisen. In diesem Jahr haben die Mitarbeiter des Vereins Information und Hilfe in Drogenfragen drei Plakate gestaltet, auf denen die Namen derjenigen zu lesen sind, die in den vergangenen fünf Jahren verstorben sind. Jeder Name steht auf einer roten Rose, darunter das Sterbejahr.

Als Motto für diesen Gedenktag wurde ein Zitat des französischen Malers Henri Matisse gewählt: „Es gibt Blumen für den, der sie sehen will!“ Weitere Gedenktag-Plakate mit Traueranzeigen hängen  in Arztpraxen in Wesel, Oberhausen und Bocholt, wo Ärzte Substitutionsmittel verabreichen.

Mit ihrer Plakataktion wollen Ralf Dierichs, Lisa Olejniczak und Martin Peukert (v.l.) auf die Schicksale verstorbener Suchtkranker in Wesel aufmerksam machen. Foto: Drogenberatung

„Wir wollen die Gesellschaft mit dieser Aktion für das Drogen-Problem sensibilisieren, auf die Schicksale der Toten aufmerksam machen und zeigen, dass jeder dieser Menschen wertvoll war“, sagt Martin Peukert. Der Diplom-Sozialarbeiter ist seit mittlerweile 23 Jahren in der Beratungsstelle tätig und kennt viele der seit 2015 Verstorbenen. Seit 1998, dem Jahr, in dem der Gedenktag aus der Taufe gehoben wurde, sind 49 Frauen und Männer, die der Beratungsstelle bekannt waren, verstorben. Einige sind an einer Überdosis Heroin gestorben, andere haben den jahrelangen Alkoholkonsum nicht verkraftet oder sind entsprechenden Erkrankungen erlegen.

Martin Peukert erzählt die Geschichte einer Weselerin. Als Kind schon habe sie in der Familie Gewalt erfahren, ausgelöst nicht zuletzt durch zu viel Alkohol. Als Jugendliche nimmt sie Heroin. Sie erhält Methadon, greift zusätzlich zu Schnaps und Wodka. Die junge Frau betreibt Raubbau an ihrem Körper. Sie ist 30, als sie an Multiorganversagen stirbt. „Oft sind schlimme Erlebnisse in der Kindheit Auslöser für späteren Drogenkonsum“, weiß Peukert aus langjähriger Erfahrung. Man müsse allerdings jeden Fall einzeln sehen.

Oft sind es Eltern, die den Erstkontakt suchen, weil sie den Nachwuchs beim Kiffen erwischt haben. Viele Jugendliche, so die Erfahrung von Martin Peukert, experimentieren gerne. Sie rauchen Gras, nehmen Partydrogen wie Amphetamine und Ecstasy. Bei manchen führt der Drogenkonsum zu Depressionen. Oder auch umgekehrt.

Einige von ihnen schaffen es über kurz oder lang, ohne Drogen zu leben. Das sind dann Momente, in denen Peukert und Dierichs ihren Beruf ganz besonders lieben. Peukert berichtet in diesem Zusammenhang von einem ehemaligen Drogenkonsumenten, der mittlerweile ein geordnetes Leben führt und auch beruflich Karriere gemacht hat. „Der verdient jetzt mehr als wir Berater“, sagt er und lacht.

Rheinische Post 21.07.2020 von Klaus Nikolei, redaktionell gekürzter Beitrag