Viele der Todesfälle hätten verhindert werden können

Frankfurt am Main, Juli 2025 – Am Montagmittag (21. Juli 2025) kamen im Frankfurter Bahnhofsviertel Menschen zusammen, um derer zu gedenken, die im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit ihrem Drogenkonsum ihr Leben verloren haben. In Frankfurt waren es im vergangenen Jahr 33 Verstorbene. Zur gemeinsamen Trauer hatte ein Zusammenschluss der Frankfurter Drogenhilfeträger*innen – darunter die AIDS-Hilfe Frankfurt e.V. (AHF) – aufgerufen. Der 21. Juli ist der Internationale Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende.
In diesem Jahr stand er unter dem Motto „Überdosierung und Drogentod können alle Menschen (be-)treffen.“ Die Kundgebung mit anschließendem Trauermarsch wurde von Redebeiträgen und klaren Forderungen an die hessische Landespolitik begleitet. Sophie Hanack, die das „La Strada – Drogenhilfe & Prävention“ der AHF leitet, begrüßte die etwa 100 Teilnehmenden. Sie kannte viele der 33 Menschen und ihre Geschichten persönlich. Für sie steht fest: Viele der Todesfälle hätten verhindert werden können, wenn Politik und Gesellschaft nicht weggeschaut hätten, es bundesweit mehr Konsumräume, mehr Unterstützungsangebote und weniger Stigmatisierung gäbe. Hanack dankte ihren Kolleg*innen für den unermüdlichen Einsatz und stellte sich entschieden gegen die Kriminalisierung von akzeptierender Drogenarbeit: „Wir sind nicht Teil des Problems, wir sind die Lösung!“
Der Frankfurter Weg mit niedrigschwelligen Angeboten und Überlebenshilfen muss weitergegangen werden
Unter den Redner*innen war auch die Frankfurter Dezernentin für Gesundheit und Soziales, Elke Voitl (Grüne). Sie definierte die gesamtgesellschaftliche Aufgabe ganz klar: Vermeidbare Todesfälle im Zusammenhang mit einer Drogenabhängigkeit müssten verhindert werden. Im bundesweiten Vergleich der Großstädte weise Frankfurt – bezogen auf die Einwohnerzahl – die niedrigste Todeszahl auf. Das bestätige, so Voitl, die Richtigkeit des Frankfurter Weges. Mit dem Frankfurter Weg in der Drogenpolitik sei ganz bewusst eine Entscheidung zugunsten von Solidarität getroffen worden: Substanzgebrauchende Menschen sollten geschützt und nicht ausgegrenzt werden.
Claudia Ak von JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte) Wiesbaden hat die Auflösung der offenen Drogenszene in der Taunusanlage Anfang der Neunzigerjahre selbst miterlebt. Heute sagt sie, sie verdanke dem Frankfurter Weg ihr Leben, sieht ihn aber durch Maßnahmen wie den Sieben-Punkte-Plan der hessischen Landesregierung und unzureichende Versorgungsstrukturen gefährdet. Drogenkonsum sei schließlich keine Charakterschwäche, sondern eine Krankheit. Synthetische Opioide können zu lebensbedrohlichen Überdosierungen führen, Drug Checking schafft Sicherheit

Zu Beginn des Jahres wurden in Frankfurt erstmalig Fentanyl-Beimischungen in Straßenheroin nachgewiesen. Eine Zunahme solcher Funde von synthetischen Opioiden wie Fentanyl und Nitazene wird erwartet. Die Vertreter*innen der Frankfurter Drogenhilfe wiederholten daher ihren dringlichen Appell an die hessische Landesregierung, die Rechtsverordnung zur Etablierung von Drug-Checking Stellen zu erlassen. Sicherheit hinsichtlich der Inhaltsstoffe, so Claudia Ak, sei nicht nur für Menschen mit langzeitlichem Konsum essentiell; auch die Partyszene mit gelegentlichem Gebrauch sei dem Risiko von unkontrollierten Zugaben ausgesetzt. Diskussionen über das neue Suchthilfezentrum, aber nicht über die Menschen, die es nutzen sollen Patrizia Marcinkowski fährt den Nachtbus OS (Offensive Sozialarbeit), ein mobiles Angebot der integrativen Drogenhilfe Frankfurt und arbeitet im Konsumraum in der Niddastraße. Sie beklagte einen Trend der Entmenschlichung im Umgang mit Drogenkonsumierenden, Sei es die Zurschaustellung von Klient*innen durch Influencer*innen, die im Bahnhofsviertel unter dem Vorwand von Unterstützung Videos erstellten und weitreichend verbreiteten; seien es Formaldiskussionen z. B. über das geplante Crack-Suchthilfezentrum, die an den Bedürfnissen der Hilfesuchenden vorbeigingen und eine wissenschaftsbasierte Umsetzung missen ließen. Entsprechend folgerte Marcinkowski: „Wer verdrängt, beseitigt nicht. Wer ausschließt, löst Probleme nicht, er verschärft sie.“
In seiner Andacht erinnerte Pfarrer Nulf Schade-James an die Verstorbenen und an diejenigen, deren Überlebenskampf tagtäglich andauerte. Im Anschluss wurden die Namen der 33 Menschen verlesen: Die jüngste Person wurde 20 Jahre alt, die älteste 64 Jahre.
Der Trauermarsch durch das Bahnhofsviertel vorbei an Hilfsangeboten endete an der Gedenkplatte im Lesegarten der Taunusanlage. Diese fasst das Selbstverständnis der akzeptierenden Drogenarbeit zusammen: Drogengebrauchende besitzen ebenso wie alle Menschen das Recht auf Menschenwürde, sie brauchen es nicht erst durch abstinentes oder angepasstes Verhalten zu erwerben.

Beitrag von: Aidshilfe Frankfurt