Doch mit dem Aufhören ist es so eine Sache

Der 1. Gedenktag für verstorbene Drogengenbrauchende wurde 1998 begangen. Hintergrund war, dass am 21. Juli 1994 in Gladbeck der junge Drogengebraucher Ingo Marten starb. Seiner Mutter gelang es unter Mithilfe der Stadt, eine Gedenkstätte für verstorbene Drogengebrauchende zu etablieren. Im Jugendvollzug der JVA Herford gibt es zum Gedenktag Aktionen.

In Deutschland sind im Jahr 2024 wegen des Konsums illegaler Substanzen 2.227 Menschen gestorben. Dies sei die höchste bisher je registrierte Zahl. Darunter waren 1.844 Männer und 383 Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei 41 Jahren und ist somit weiter angestiegen. In der Realität gibt es mehr Todesfälle, die Dunkelziffer ist sehr hoch. Zu wenige toxikologische Gutachten und Obduktionen werden veranlasst.  Hinter den blanken Zahlen verbirgt sich unendliches Leid für die Betroffenen, ihre Familien, das ganze Umfeld, Viele dieser Todesfälle wären vermeidbar gewesen. Lea Otto, Sozialarbeiterin der Drogenberatungsstelle e.V. Bielefeld, weiß wie es um die Gefährlichkeit von Drogensubstanzen steht. Als Ansprechperson von außen ist sie für inhaftierte Jugendliche in der JVA Herford zuständig. „Weil ich von außen komme, kann ich anders auf die Jugendlichen und das Thema Drogenkonsum eingehen, da ich nicht zur strafenden Instanz gehöre“, erzählt Frau Otto.

Erfahrungen nicht weit entfernt

Dass das Gedenken an verstorbene Drogengebrauchende nicht weit entfernt ist, haben die Inhaftierten erst kürzlich erfahren müssen. Ein Mitgefangener ist in eine Suchtklinik zur Therapie früher entlassen worden. Es sah gut aus, dass derjenige die Motivation auf der Therapievorbereitungs-Abteilung (TVA) umsetzt. Leider ist dieser aufgrund erneuten Konsums von der Klinik geflogen. Zuhause hat er wieder neue und zu viele Substanzen zu sich genommen. Man fand ihn tot in seinem Bett. Das macht die Gefangenen betroffen, weil sie ihn als aufgeweckten und fröhlichen jungen Mann erlebten.

In der Anstaltskirche stellte man ein Bild für ihn auf. Eine Trauerfeier wurde gestaltet. „Der Konsum illegaler Drogen ist eine Scheinfreiheit“, sagt ein Inhaftierter und spielt auf den Tod des Mitgefangenen an. „Man muss wissen, wenn man aufhören muss“, fügt er an. Doch mit dem Aufhören ist es so eine Sache. Hilfen gibt es, sie zu ergreifen ist oft ein Kampf zwischen Abstinenz und Rückfällen. „Im Haftalltag gibt es genügend Drogen, die man hier bekommt“, offenbart Elias, ein 20-jähriger Inhaftierter. Er selbst habe erst vor ein paar Wochen Cannabis konsumiert. Der Vollzug ist darauf ausgerichtet, dass die Gefangenen abstinent leben. Wenige bekommen Methadon als Ersatzstoff.

Schmetterling als Symbol

Ähnlich wie die „Rote Schleife“ im Kontext von HIV und AIDS ist für den Gedenktag das Symbol des Schmetterlings entwickelt worden. Schmetterlinge stehen für neues Leben und die Freiheit. So werden im Freistundehof Schmetterlinge mit Sprühkreide aufgemalt. „Nicht alle finden das toll“, meint ein Bediensteter.

Die Aktion soll am Gedenktag an die Drogentoten erinnern und den Alltag unterbrechen. Wo sonst können Inhaftierte darauf aufmerksam gemacht werden. Sicherheit und Ordnung hat die Aktion genehmigt. Auch in den Knast-Gottesdiensten werden Schmetterlinge auf grünem Papier auf den Boden gelegt. Verbunden damit sind Bitten und Wünsche für das eigene Leben, aber auch das Gedenken an Verstorbene im nahen Umfeld. Nach dem ersten Regenschauer sind die kreide-gesprühten Schmetterlinge auf dem Freistundenhof wieder verwunden. Mühevoll sind sie mit Schablonen aufgemalt worden. Dies könnte ein Symbol dafür sein, dass Menschen schnell vergessen und in alte Muster verfallen. Immerhin gibt es solche gesetzten Erinnerungspunkte.

Beitrag von: Seelsorge im Jugendvollzug JVA Herford